22.10.2001
Schnitzerneggl: Stark gut Ferry, Franz und Polly kalauern sich in ihrem zweistündigen Programm durch den Alltag
SCHWABACH - "Stark gut", wie es im Originalton heißt, also meister-lich, beherrschen die Schnitzerneggl die Nemetkerer "Sproch". "Schnitzerneggl" heißt zum einen ein deftiges Arme-Leute-Essen, "Schnitzerneggl" nennen sich aber auch die Schwabacher Willy Büttl, Richard Luxenburger und Hans Werner Stenger, wenn sie als "Ferry", "Franz" und "Polly" auf-treten und die Kleinkunst-bühnen in derUmgebung unsicher machen. Ihr Programm ist nemetkerisch - Alltagskomik im ungarn-deutschen Dialekt. Nemetker heißt "Deutsches Dorf" und so heißt auch das Dorf in Ungarn (150 Kilometer südlich von Budapest), aus dem ihre Vorfahren stammen. Bei Kriegsende wurden sie vertrieben und siedelten sich hier an. Die Leute aus Nemetker stellten die größte Schwabacher Flüchtlingsgruppe. Die "Schnitzerneggl" bieten Kleinkunst im besten Sinn des Wortes, und das ist wahrlich nichts für große Säle. Die Galerie Gaswerk beispielsweise, wo sie zuletzt auftraten, setzt einen passenden Rahmen, in dem sich die "Schnitzer-neggl" in einem knappen Dutzend Sketchen in der jeweils passenden Ver-kleidung auf nemetkerisch durch ihr Programm kalauern. Vorhang auf: Schlussverkauf. Drei Frauen wühlen durch den Dessoustisch und unterhalten sich auch über ihre Männer. Die eine erzählt, sie habe einen Deo-Roller geschenkt gekriegt. "Für dich? Du host doch gor kan Führerschein!" So geht es weiter: Er und sie am Frühstückstisch. Er lästert über ihren uralten Morgenmantel und kommt zu dem Schluss: "Manche Weiwer können anziehen, was sie wollen. Dene steht gar nix". Die Retourkutsche: "Manche Männer können ausziehen, was sie wollen..."
Garniert mit Nemetkerisch
Die Szenen aus dem Alltag werden garniert mit Nemetekerer Sproch: "Mir harn scho so stark lang nimmer miteinander obnemma lossa" heißt "wir haben und schon sehr lange nicht mehr zusammen fotografieren lassen." Oder wenn sich Ferry, Franz und Polly in ihrer Paraderolle als alte Männer über Gott und die Welt unterhalten und eben auch über das deutschitalienische, Formel-eins-Renn-Ass: "Der Schumi ist so starkschnell gfarhen". Wo? Natürlich in Ungarn: "A bittelich stark große Rennstreck!"
Eine weitere Paraderolle: Die"Schnitzerneggl" als Babys. Hier kommt vor allem dasschauspielerische Talent von Ferry gut zur Geltung. Wie ein richtiges Baby saugt er am Schnuller, reibt sich die Augen und fuchtelt unbeholfen mit den Händchen herum. Natürlich sprechen die drei Babys auch.Die katholische Kirche wird ebenfalls auf den Arm genommen. Als Pfarrer, Bischof und Kaplan sitzen die drei am Abend in der Sauna, nachdem der Kaplan seine erste Predigt einigermaßen verhunzt hat. Der Bischof weist ihn zurecht und korrigiert: "Kanaa, nicht Kanada, Lots Frau erstarrte zur Salzsäule, nicht zur Salzbreze und am Schluss muss es Amen heißen, nicht Prost." Nebenbei erfährt man vom Pfarrer, dass seine Haushältern noch katholischer ist als er selbst: "Sogar ihr Näh-maschin is von Pfaff!" Die Geistlichen philosophieren über ihre Erlebnisse im Religionsunterricht, wo zum Beispiel auf die Frage, warum das Zölibat eingeführt wurde, als Antwort kam: "Damit sich die katholischen Pfarrer net so vermehren!" Die Kette dummer Sprüche endet nach zwei Stunden mit einer Musik-Zugabe. Auf nemetkerisch, versteht sich. Bitterlich stark gut! Aber auch stark schod, dass der Nemetkerer Dialekt ausstirbt. GUNTHER HESS