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Zehn Jahre Schnitzerneggl

Joi, wie schee Absurdes aus dem Alltag in ungarndeutscher Mundart Premiere

SCHWABACH/BARTHELMESAURACH (gw) Die drei sind ein Phänomen. Fast keine Werbung, fast immer ausverkauft. Das ist seit inzwischen zehn Jahren so, das war auch bei der Premiere des neuen Programms nicht anders. Freitag vergangener Woche in der Barthelmesauracher Hasenmühle: Die Schnitzerneggl laden zu "Schee, stark schee, bitterlich stark schee". Die Steigerung im Nemetkerer Dialekt, dem Markenzeichen des Schwabacher Trios. Hommage an die ungarische Heimat der Elterngeneration. Ebenso wie der Name: Schnitzerneggl ist eine Spezialität der Ungarndeutschen. Schon eine Stunde vor Konzertbeginn ist der Saal gut gefüllt. Willy Büttl, Richard Luxenburger und Hans-Werner Stenger gehen durch die Reihen. "Na, bist schon nervös?" fragt Willy Büttl seine Gäste, während Ehefrau Dagmar, die alle nur "Daggy" nennen, am Eingang jeden zu einem Glas Sekt einlädt und einen kleinen Plausch hält.

Start vor Oma und Tante
Man kennt sich. Denn eigentlich ist der Abend eine Premiere vor der Premiere vor geladenen Gästen. "80 Prozent Verwandtschaft", sagt Willy Büttl, der Regisseur. Fast wie vor zehn Jahren. "Damals wollten sie nur für Eltern, Omas und Tanten spielen", erinnert sich Daggy Büttl, die heute so etwas wie die "Managerin" ist. "Aber dann sind sie immer weiter empfohlen worden. Das war ein Schneeballeffekt." Gelandet sind die Schnitzerneggl beim inzwischen achten Programm. Es gibt keine Rahmenhandlung, keinen inhaltlich roten Faden. Zweieinhalb Stunden reiht sich Sketch an Sketch. Auftakt und Schluss gehören dem Klassiker. Der Auftritt der drei alten Männer ist seit den Anfangstagen aus den Programmen nicht wegzudenken. Ferry, Polli und Franz sitzen in schwarzer Tracht auf einer Bank in Nemetker und sinnieren über das Leben. Vor allem über ihre "Weiber". Die Dialoge leben weniger von philosophischer Tiefe als vom Nonsens mit flotten Sprüchen: "Mei Frau red den ganze Tag. Im Summa hat se auf der Zunga an Sunnabrand gekriegt. "Schau, die Blödel" "Wir wollen uns blamieren auf der Bühne", sagt Willy Büttl bei der Begrüßung ins Publikum. "Wir wollen, dass Ihr sagt: Schau, die Blödel, das gibt´s doch net. Das ist das schönste Kompliment." Und dieses Kompliment erspielen sie sich mit einer wohl dosierten Mischung aus spontaner Situationskomik und übersteigerten Szenen aus dem ganz normalen Alltagswahnsinn. In fast jedem Sketch kommen Frauen vor. Richard Luxenburger schlüpft dafür zum Beispiel in die Rolle der Blondine mit roten Stöckelschuhen, Minikleid und Schürze, was ihm schon vor dem ersten Satz die ersten Lacher bringt. Mit Willy Büttl spielt er ein Ehepaar beim Tapezieren. Was mit verliebten Blicken und süßen Komplimenten ("Mei glaans Pfennigärschla") beginnt, eskaliert so langsam wie unaufhaltsam zum Ehekrieg. Und das nur, weil die Frau in Luxenburgers herrlicher Slapstick-Einlage zu doof ist, einen Meterstab zu benutzen, was den pedantischen Gatten völlig aus der Fassung bringt.

 

Wortwörtlich. . .
"Wenn ma Deine Polyestersocken in Garten hängt, dann fliegen die Vögel scho im Mai nach Süden." Richard Luxenburger zu Willy Büttl
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"Die Leute sollen sich in den Szenen wieder erkennen", sagt Büttl nach der Vorstellung. "Auf die Idee zu diesem Sketch sind wir gekommen, als wir versucht haben, zusammen unsere Wohnung zu tapezieren", erzählt Daggy Büttl. "So läufts bei uns, deshalb haben wir jetzt Rauputz."

Ob Tapezieren oder Einkaufen, ob der Besuch in der Amtsstube oder im Schönheitssalon: Die Themen sind aus dem Leben gegriffen, die Figuren exzentrisch überzeichnet, aber mit komödiantischer Selbstironie gespielt. Besonders sympathisch kleine Szenen außerhalb des Drehbuchs, als Hans-Werner Stenger über den eigenen Unsinn lachen muss, aber mit schelmischem Grinsen wieder zurück in den Text findet.

Klamauk und Klasse
Dass Klamauk und Klasse keine Gegensätze sein müssen, beweist der geniale Auftritt mit Willy Büttl als Bauchredner. "So etwas bekommt man nur auf großen europäischen Bühnen zu sehen", verkündet er, ehe mit Luzi, dem Teufel, und dem Engel Griselda der Geschlechterkampf tobt.  Für dezidiert intellektuelle Kritiker bieten die Schnitzerneggl mehr als einen Anlass zum naserümpfenden Kopfschütteln. Die vielen Witze unter der Gürtellinie, das Frauenbild aus der Klamottenkiste, die Ausdrücke jenseits der Druckreife. Ein Theaterbesuch wie eine verwegene Exkursion ins Triviale.

Die Schnitzerneggl wissen das und wollen das so. "Das Derbe gehört dazu. Das ist auch Ausdruck dieses ländlichen Sprachschatzes. Dass Frauen Weiber heißen, hat auch damit zu tun, dass das in der Bibel so steht", sagt Hans-Werner Stenger. "Aber wir sind ja nicht wie Ingo Appelt. Das muss auch seine Grenze haben. Und die Mundart entschärft das auch."
Diese Mundart ist keine Marotte, sondern ein Stück Kultur. "Sie zeigt die Identifikation mit den Leuten", betont Richard Luxenburger. "Noch heute leben Verwandte in Nemetker, und wir sind auch regelmäßig dort." Die Eltern von Büttl, Luxenburger und Stenger sind Ungarndeutsche, Heimatvertriebene, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Schwabach neu angefangen haben. Die drei Hobby-Kommödianten kennen sich seit der Kindheit rund um die Werkvolkstraße.
Auch der Name "Schnitzerneggl" erinnert an die alte Heimat. "Das ist ein fleischloses Arme-Leute-Essen mit Kartoffeln, Nudeln, Zwiebeln und Sauerrahm", erklärt Daggy Büttl. "Der Willy kann das gut, und, wie man sieht, schmeckts ihm."

"Zwei Stunden fallen lassen"
"Natürlich bieten wir keine lyrischen Ergüsse", sagt Willy Büttl, der unnachahmlich in die Rolle des Blödel-Barden schlüpft. "Und was das Frauenbild angeht: Wir spielen ja auch Frauen und klatschen über die Männer. Da gibt es also auch einen Ausgleich."
"Die Leute kommen zu uns, weil sie sich zwei Stunden lang fallen lassen können", glaubt Richard Luxenburger. "Und ich bin sehr, sehr stolz darauf, dass wir auch Leute ins Theater bringen, die sonst nie in ein Theater oder in die Oper gehen würden." Auch an diesem Abend gibt ihm die ausgelassene Stimmung Recht. "Wie hats dir gefallen?", fragt Daggy Büttl nach der Vorstellung eine Bekannte. Und darauf kann es nur eine Antwort geben: "Bitterlich stark schee."